Der Klever Schwan kommt aus Nütterden

Eine etwas andere Lohengrin Geschichte von Jan de Schwoon

der klever schwan

Das folgende Geschehen spielte sich so oder so ähnlich vor Urzeiten am Rande der eiszeitlichen Endmoränen in der Düffelt ab, die sich von Nimwegen bis nach Xanten hinzogen. Bewachsen war der Höhenzug mit dem Ketelwald (dem heutigen Reichswald), der überwiegend mit riesigen, dunklen Buchen- und Eichenbäumen bewachsen war. Aus den schroffen, zerklüfteten Hängen dieses Waldes, sprudelten hier die „Sieben Quellen“ von reinstem Wasser hervor. Die Quellen sammelten sich zu einem großen Teich, in Nütterden, einem Ort am Fuße des Höhenrückens. Aus diesem Teich speist sich die Renne, im Volksmund auch „et Renneken“ genannt. Dieser Fluss machte Nütterden zu einem wichtigen Handelsplatz in der Region. Die Renne war ein alter Schifffahrtsweg in der „Düffelt“, der durch den größten Hafen in der Region bei Zyfflich und dem Wyler Meer floss, ehe sie in die Waal bei Nimwegen mündete. Eine solche schiffbare Verbindung hatte die Renne auch mit dem „Groesbecker Bach“ bei Kranenburg und dem „Kermisdahl“ bei Kleve. Die gesamten Niederrheinlande konnte so über die wichtige Wasserstraße Renne zivilisiert werden und wichtige Güter transportieren. Über Landwege waren die Dörfer in der Düffelt nicht immer erreichbar, weil die gesamte Region immer wieder von Hochwasser bedroht war und weite Landflächen ein sumpfiges Moorgebiet war. Der große Quellteich in Nütterden, auch „Forellenteich“ genannt, wurde als Trinkwasser- und Fischreservoir von den Menschen über Jahrhunderte genutzt.

Hier nun, an dem mit hohen Pappeln dicht bepflanzten Ufer der Renne, nahe an einem alten Fischerhaus, geschah eines Tages etwas Geheimnisvolles. Ein starker, heller Sonnenstrahl durchbrach die hohen Bäume am Ufer der Renne und schien auf ein mit Silber- und Goldfäden durchwebtes Schwanennest. Bisher war es noch von keinem entdeckt worden. In dem ungewöhnlichen Nest befand sich nur ein einziges, schneeweißes Ei. Innerhalb von Sekunden zerbarst die Schale des Eies und unter den Klängen von mystischen Melodien trat ein stolzer, weißer Schwan hervor. Von den Schwaneneltern war allerdings weit und breit nichts zu sehen. Nur der alte, vergrämte Fischer schaute von seinem Platz auf, wo er gerade seine Fischnetze flickte und sah verwundert auf das Nest, als er eine Stimme vernahm, die zu dem so eben geschlüpften Schwan sprach; „Ich gebe dir den Namen Jan. Tue Gutes für die Menschen hier in den Niederrheinlanden und begleite sie schützend auf all ihren Wegen.“ Der Fischer sank vor Ehrfurcht auf die Knie, er konnte es kaum glauben, denn vor einem Jahr war sein einziger Sohn Jan beim Fischen in der Renne ertrunken. Seit dem Tod des Sohnes waren schwere Zeiten für den Fischer angebrochen, er konnte seine Frau und seine zwei kleinen Töchter nicht mehr richtig ernähren. Jetzt sah er mit freudigen Tränen in den Augen, seinen Sohn Jan in der Gestalt eines stolzen Schwanes wieder. Das geheimnisvolle an dem Geschehen war, das der gerade geborene Schwan Jan als mystisches Fabelwesen die Gestalt eines Menschen annehmen konnte, je nachdem wie die Umstände es erforderlich machten. Der helle Sonnenstrahl verblasste langsam und es war nur noch das leise säuseln des Windes in den Baumwipfeln vernehmbar. Die Fischerfamilie aber lebte von nun an wieder vereint und glücklich zusammen.

Bis, ja bis eines Tages ein Edelmann das einfache Fischerhaus betrat. „Ich bin Lohengrin“ stellte sich der edle Ritter vor. „Mein Vater ist Parzival, der Hüter des Heiligen Grals und der Hochmeister des Templeisen-Ordens. Diesem Ritter Orden gehöre auch ich an“. „Ich bin in geheimer Mission auf dem Weg nach Cleve“, fuhr der Ritter fort, „wo ich Elsa von Brabant heiraten werde. Habt ihr ein entsprechendes Schiff für mich. Auf dem beschwerlichen Weg hierhin bin ich mit einem alten römischen Lastkahn gefahren, das ist kein standesgemäßes Gefährt für mein Vorhaben.“ Der alte Fischer erschrak zuerst, denn er hatte schlechte Erfahrungen mit so manchem Edelmann gemacht. Normalerweise kamen solche hohe Herren nicht in seine bescheidene Behausung. Nachdem er sich von dem ersten Schreck erholt hatte, sagte er mir ehrfurchtsvoller Stimme zu dem Edelmann; „Da kann ich helfen edler Herr, mein Sohn Jan kann euch sicher bis nach Cleve bringen. Er wird ein Schiff ziehen, womit ihr in Cleve repräsentieren könnt. Kommt mit nach draußen dann werdet ihr es schon sehen.“ Vor dem Fischerhaus auf der Renne schwamm ein festlich geschmückter Kahn der von einem prächtigen, weißen Schwan an einer magischen, silbernen Kette gezogen wurde. Der Ritter war so begeistert, dass er den Fischer fürstlich entlohnte und in den Kahn einstieg. Seit Lohengrin dem Ritterorden vom heiligen Gral angehörte war er es gewohnt mit mystischen Fabelwesen um zu gehen. Es wunderte ihn darum auch nicht, dass er mit dem Schwan wie mit einem Menschen reden konnte.

Weiter geht es in einigen Tagen…